Medizinrecht 01.12.2010

Sehr geehrte Damen und Herren,

Krankenhausentgeltansprüche und die Rückforderungsansprüche der Krankenkassenunterliegen auch den Verjährungsvorschriften.

 

Was muss der Krankenhausträger wissen? Wie muss er reagieren?

1. Verjährungsfristen

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 12.05.2005 - B 3 KR 32/04 R klargestellt,dass die Entgeltansprüche des Krankenhauses und die Rückforderungsansprüche der Krankenkasse nach § 45 SGB I in vier Jahren verjähren. Die Verjährung beginnt amSchluss des Jahres zu laufen, in dem der jeweilig geltend zu machende Anspruchentstanden ist.

Das bedeutet, dass Krankenhausentgeltansprüche und Rückforderungsansprüche derKrankenkassen, die im Kalenderjahr 2006 entstanden sind, am 31.12.2010 verjähren.

Hinweis für Krankenhäuser im Land Thüringen: 

Im Land Thüringen besteht der Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V -Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen derLandeskrankenhausgesellschaft Thüringen und den Regionalvertretungen der Krankenversicherungen.

Dieser Landesvertrag enthält insofern eine Regelungsbesonderheit, als nach § 13 Abs. 5des Landesvertrages festgelegt wurde, dass die Forderungen der Krankenhäuser sowiedie Rückforderungsansprüche der Krankenkassen nach § 195 BGB in drei Jahrenverjähren. Das bedeutet, dass zum 31.12.2010 bereits die jeweiligen Forderungen, die imKalenderjahr 2007 entstanden sind, verjähren. Dieser Landesvertrag bindet normativ alleKrankenhäuser des Freistaates Thüringen und die vom Vertrag erfasstenKrankenversicherungen an seine Regelungen.

2. Frage: Hemmt das MDK-Prüfungsverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V denLauf der Verjährung?

In letzter Zeit setzen sich einige Krankenkassen gegen den Einwand der Verjährung mitdem Argument zur Wehr, dass der Lauf der Verjährungsfrist durch das eingeleitete MDKPrüfungsverfahrengehemmt sei. Dabei berufen sich die Krankenkassen auf die analogeAnwendung von § 204 Abs. 1 Ziff. 8 BGB. Diese Vorschrift lautet:

"... Die Verjährung wird gehemmt durch ...
8. den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens ..."

Dabei argumentieren die Krankenkassen, dass die Verjährungsregelungen des BGB aufdie sozialrechtlichen Entgeltansprüche des Krankenhauses und die öffentlich rechtlichenErstattungsansprüche der Krankenkasse, ausgenommen die vierjährige Verjährungsfristdes § 45 SGB I, sinngemäß anzuwenden sind.

Antwort:
Variante a)
 betrifft Krankenhäuser im Freistaat Thüringen

Für die Krankenhäuser im Freistaat Thüringen ist der Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1SGB V zu beachten. In § 14 Abs. 2 des Landesvertrages haben die Vertragsparteien vereinbart, dass bei Zweifeln an der Behandlungsnotwendigkeit oder der korrektenAbrechnung die Krankenkasse unverzüglich die Prüfung durch den MDK herbeizuführenhat. Das Prüfverfahren selbst ist wiederum in §§ 275 ff. SGB V gesetzlich geregelt.

Allerdings könnte die Sozialgerichtsbarkeit die landesvertragliche Regelung in § 14 Abs. 2so auslegen, dass es sich um ein vereinbartes Begutachtungsverfahren handelt. Dabei istzu beachten, dass die Verjährungsregeln des BGB nach der Vorschrift des § 45 Abs. 2SGB I sinngemäß auf die sozialrechtlichen Entgelt- und Rückforderungsansprücheanzuwenden sind. Vor diesem Hintergrund könnte durchaus die Sozialgerichtsbarkeitdafür entscheiden, dass ein Hemmungstatbestand im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGBbei der Einleitung des MDK-Prüfungsverfahrens vorliegt. 

In einem vor dem Sozialgericht Nordhausen anhängigen Fall werden wir dieseKonstellation klären lassen. 

 Variante b) Krankenhäuser, die keiner landesvertraglichen Regelung unterliegen (etwaSachsen-Anhalt)

Die Regelung des § 204 BGB stellt darauf ab, dass die Verjährung durch Rechtsverfolgung gehemmt werden soll. Dies ist nur folgerichtig, weil jemand, der seineRechte durch Einleitung einer bestimmten Verfahrensart geltend macht, nicht dem Laufder Verjährungsfrist unterworfen sein soll.

Das MDK-Prüfungsverfahren ist gesetzlich in den §§ 275 ff. SGB V vom Gesetzgebervorgeschrieben. Es handelt sich nicht um ein vereinbartes Begutachtungsverfahren. Nach§ 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB ist eine Vereinbarung der Parteien notwendig, die dieBegutachtung vorsieht.

Das BSG hat sich mit Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KR 12/06 R mit der Hemmung derVerjährung durch Klageerhebung befasst. Gegenstand dieses Verfahrens war ein erstzwei Jahre nach Krankenhausbehandlung und Abrechnung von der Krankenkasseeingeleitetes Einzelfallprüfungsverfahren. Das BSG hat judiziert, dass die Klageerhebung den Lauf der Verjährung hemmt. Die Frage, ob auch das MDK-Prüfungsverfahrenden Lauf der Verjährung in analoger Anwendung von § 204 Abs. 1 Nr.8 BGB hemmt, hat das BSG unbeantwortet gelassen.

Ich empfehle Ihnen, sich außergerichtlich, aber auch gegebenenfalls imGerichtsverfahren dahingehend zu positionieren, dass das eingeleitete MDK-Prüfungsverfahrendie Verjährung der Rückforderungsansprüche der Krankenkasse nicht hemmt.

Sollten Sie zu den oben dargestellten Verjährungsachverhalten oder zu anderen Sachverhalten aus dem Bereich des Krankenhausentgeltrechts Fragen haben, stehtIhnen Unterzeichner gern zur weiteren individuellen Beratung zur Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Michael Koch

Rechtsanwalt