Sehr geehrte Damen und Herren,
die Arbeitgeber sind verpflichtet aufgrund der aktuellen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards Vorkehrungen zu treffen, um die Ausbreitung des Corona-Virus auch im Arbeitsalltag einzudämmen. Eine Möglichkeit bietet hierbei die Durchführung des Corona-Schnelltest. Dennoch stellt sich für viele Arbeitgeber die Frage, ob der Schnelltest für jeden Arbeitnehmer verpflichtend angeordnet werden kann und wie insbesondere die Konsequenzen bei einer Verweigerung der Durchführung des Schnelltest sind. Arbeitsrechtlich zu unterscheiden sind dabei auf der einen Seite anlassbezogene Tests bei coronatypischen Erkältungssymptomen sowie anlasslose Tests, welche Arbeitsverhältnisse mit engen Personenkontakt betreffen.
1. Anlassbezogene Tests bei Symptomen (Erkältung, Fieber usw.)
Hat der Arbeitnehmer coronatypische Erkältungssymptome (Husten, Fieber, Schnupfen, Atembeschwerden oder Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns), kann der Arbeitgeber über sein Weisungsrecht (§ 106 GewO) die Durchführung eines Schnelltests anordnen. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine Beschäftigung des Arbeitnehmers ohne Kontakt zu Dritten – etwa im Homeoffice – ausscheidet.
Dagegen spricht nicht das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, denn die Interessen des Arbeitgebers (Schutz der Belegschaft vor Infektion, Verhinderung von behördlicher Betriebsschließung) überwiegen dieses. Das Interesse des Arbeitnehmers, nicht durch einen ca. 30-sekündigen ggf. körperlich unangenehmen Test eingeschränkt zu werden, muss zurücktreten. Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen nicht, denn Gesundheitsdaten dürfen – soweit erforderlich – im Arbeitsverhältnis verarbeitet werden (§ 26 Abs. 3 BDSG).
Das BAG (Urteil vom 12. August 1999, 2 AZR 55/99) erkennt an, dass Arbeitgeber Alkohol- und Drogentest am Arbeitsplatz einseitig anordnen dürfen, wenn begründete (konkrete) Zweifel an der gesundheitlichen Tauglichkeit des Arbeitnehmers bestehen. Angesichts des hohen Infektionsrisikos und der schwerwiegenden Folgen eines betrieblichen Infektionsgeschehens reichen für die Durchführung von Corona-Schnelltests die einschlägigen Symptome als begründende Zweifel. Solche Schnelltests sind darüber hinaus mit einem geringeren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit verbunden als ein Bluttest.
Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel enthält Bestimmungen, wie mit Erkältungssymptomen von Arbeitnehmern umzugehen ist. Nach Nr. 4.2.11 haben Arbeitnehmer mit Verdacht einer Infektion der Arbeitsstätte fernzubleiben. Etwas unscharf heißt es dort, ein solcher Verdacht könne sich „insbesondere durch Fieber, Husten und Atemnot“ ergeben. „Leichte Erkältungssymptome“ hält der zuständige Gruppenleiter der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in einer gemeinsamen Publikation mit einem Vertreter des BMAS für ausreichend (vgl. Jäckel/Köchling, Pandemie und betrieblicher Arbeitsschutz – Eine Zwischenbilanz, in: ARP 2020, 197, 198).
Bei der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel handelt es sich – wie auch beim SARS-CoV-2- Arbeitsschutzstandard – um technische Regelungen des Arbeitsschutzes. Sie verpflichten, anders als Gesetze und Rechtsverordnungen, den Arbeitgeber nicht unmittelbar. Vielmehr dienen sie als Hilfestellung und Empfehlung, wie er seine gesetzlichen Schutzpflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz erfüllen kann.
Mit der Durchführung von Corona-Schnelltests bei Erkältungssymptomen steht dem Arbeitgeber eine alternative Möglichkeit offen, den Anforderungen des Arbeitsschutzes zu genügen. Ohne vorherigen negativen Test, sollte der Arbeitgeber Arbeitnehmer mit Erkältungssymptomen grundsätzlich nicht außerhalb der häuslichen Arbeitsstätte beschäftigen. Entscheidet er sich dennoch dafür, den Arbeitnehmer tätig werden zu lassen, muss der Arbeitgeber nicht nur sicherstellen, dass kein unmittelbarer Kontakt mit Dritten besteht. Auch eine Infektion durch mittelbaren Kontakt (ungelüftete Räume, gemeinsam genutzte Werkzeuge oder Flächen) sollte der Arbeitgeber ausschließen können.
2. Anlasslose Tests
Anlasslos darf der Arbeitgeber einen Schnelltest nur ausnahmsweise verlangen.
Ausnahmen gelten bei Tätigkeiten, bei denen für Dritte ein hohes Infektionsrisiko besteht, das durch Hygienekonzepte nicht signifikant reduziert werden kann. Das betrifft Tätigkeiten mit engem Personenkontakt, wie z.B. ärztliche oder pflegerische Aufgaben, Massage- oder Friseurdienstleistungen. Gegen verdachtsunabhängige Corona-Tests bei besonderen Arbeitnehmergruppen spricht auch nicht die Rechtsprechung des BAG, wonach der Arbeitgeber keine routinemäßigen, sondern nur anlassbezogene Blutuntersuchungen zur Klärung von Alkohol- und Drogenabhängigkeit durchführen darf (Urteil vom 12. August 1999, 2 AZR 55/99). Angesichts der erheblichen Infektionsgefahr bei körpernahen Tätigkeiten und des grassierenden Infektionsgeschehens, überwiegt auch in solchen Fällen das Testinteresse des Arbeitgebers.
Verpflichtende Corona-Tests erfordern immer gewichtige Arbeitgeberinteressen, da diese teils massiv in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers eingreifen. Definitiv können die arbeitgeberrechtlichen Schutzpflichten aus § 618 BGB einen solchen gewichtigen Grund darstellen.
Die Grenze für derartige Untersuchungen bildet dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Persönlichkeitsschutz des Art. 2 I GG gebietet, dass nur die Maßnahmen hingenommen werden müssen, die notwendig und geeignet sind, um eine Ansteckungsgefahr auszuschließen.
Eine Grenze wird regelmäßig aber die körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers darstellen. Dies bedeutet, dass verpflichtende Abstriche aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum vertretbar und verhältnismäßig sein können, im Gegensatz aber Blutproben keinesfalls gerechtfertigt sein werden. Aus diesem Grunde scheiden auch Antikörpertests nach Anweisung des Arbeitgebers aus, weil für diese Tests zwingend eine Blutentnahme erforderlich ist.
Denn das oben beschriebene Ansteckungsrisiko berechtigt den Arbeitgeber einerseits zu Maßnahmen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 ArbSchG (Arbeitschutzgesetz) – zum Schutz anderer Mitarbeiter. Und die Bewohner eines Seniorenheimes gelten als Corona-Hochrisikopatienten. Diesen gegenüber schuldet der Heimbetreiber Schutzpflichten aus dem Heimvertrag. Und aus einem vertraglichen Dreiecksverhältnis heraus schuldet die Reinigungskraft über ihrem Arbeitsvertrag ebenso Schutz für die Bewohner. Die Arbeitsaufnahme durch eine Corona-infektionsverdächtige Person im Hochrisikobereich der Pflege begründet Gesundheits- und Lebensgefahren für eine Mehrzahl von Bewohnern. Damit steht dem Arbeitgeber das Recht zur Einforderung eines Corona-Tests zu.
Nach § 9a Abs. 4 sowie 4a 3. ThürSARS-CoV-2-SonderEindmaßnVO, welche speziell den Umgang in der Pflege und deren Einrichtungen regelt heißt es:
(4) Beschäftigte in Einrichtungen der Pflege nach § 9 2. Thür-SARS-CoV-2-IfS-GrundVO sind nach Maßgabe der Coronavirus-Testverordnung vom 30. November 2020 (BAnz. AT 01.12.2020 V1) in der jeweils geltenden Fassung gemäß den Vorgaben der verantwortlichen Person nach § 5 Abs. 2 2. ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO verpflichtet, sich mindestens dreimal wöchentlich auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 testen zu lassen. Darüberhinausgehende Regelungen kann das für Pflege zuständige Ministerium durch Erlass treffen; insbesondere können in dem Erlass häufigere Testungen angeordnet werden.
(4a) Beschäftigte in besonderen Wohnformen für Menschen mit Behinderungen in der Eingliederungshilfe nach dem Thüringer Wohn- und Teilhabegesetz sowie in sonstigen Angeboten der Eingliederungshilfe nach den §§ 9 und 10 2. ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO sind nach Maßgabe der Coronavirus-Testverordnung gemäß den Vorgaben der verantwortlichen Person nach § 5 Abs. 2 2. ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO verpflichtet, sich zweimal wöchentlich auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 testen zu lassen. Satz 1 gilt entsprechend für Beschäftigte von ambulanten Pflegediensten und vergleichbare Selbstständige nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1.
Danach regelt die Verordnung sogar eine Testpflicht von Beschäftigten in der Einrichtung der Pflege. So müssen diese sich mindestens dreimal wöchentlich auf das Vorliegen einer Corona-Infektion testen lassen.
Die Verordnung wirkt unmittelbar und ist verbindlich für sämtliche Einrichtungen der Pflege. Eine Verweigerung des Schnelltest stellt somit selbst bei anlassloser Testung einen Rechtsverstoß dar.
3. Umgang bei Verweigerung der regelmäßigen Testung
Der Arbeitnehmer, der trotz Anweisung die Durchführung eines Schnelltests verweigert, verstößt gegen eine rechtmäßige Arbeitgeberweisung. Er bietet seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß an. Der Arbeitgeber muss die Arbeitsleistung nicht annehmen und daher keine Vergütung, auch nicht in Form eines Annahmeverzugslohns, zahlen.
Darüber hinaus stellt die Verweigerung zur Testung eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, welche eine Abmahnung begründet und darüber hinaus im Wiederholungsfall auch zur Kündigung führen kann.
Die Weigerung der Testung stellt für den Mitarbeiter selbst keine Ordnungswidrigkeit dar, jedoch kann diese für die verantwortliche Person der Einrichtung (Geschäftsführer) eine Ordnungswidrigkeit nach § 12 Abs. 3 Nummer 31, 32 3. ThürSARS-CoV-2-SonderEindmaßnVO begründen, wenn diese nicht dafür sorgt, dass die Beschäftigten regelmäßig getestet werden. Dies kann zu einem Bußgeld bis zu 25.000 € führen.
Weiterhin besteht die Möglichkeit bei einer Weigerung nicht nur die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht anzunehmen und diese nach Hause zu schicken, sondern darüber hinaus auch das zuständige Gesundheitsamt darüber zu informieren, dass der Beschäftigte, welcher die Testung verweigert zu einer Testung durch das Gesundheitsamt vorgeladen wird.
Für weitere Rückfragen und Unterstützung zur Umsetzung stehen wir selbstverständlich jederzeit gern zur Verfügung.
mitgeteilt von
Michael Koch
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Rechtsanwalt
Stephanie Has
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Rechtsanwältin
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