+++ Arbeitsrechts-News +++ Bundesarbeitsgericht erschwert Bindungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen +++ BAG Urteil vom 11.12.2018, 9 AZR 383/18 +++
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie gewohnt informiere ich Sie über wichtige Neuerungen im Arbeitsrecht.
In einer Gesellschaft, die über ein nachhaltiges Demografieproblem verfügt, haben Arbeitgeber ein hochrangiges Interesse daran, Arbeitnehmer zu qualifizieren und nachhaltig an das Unternehmen zu binden. Für die Fälle der Weiterbildungsvereinbarung mit Arbeitnehmern hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr die Rechtsprechung zu den sogenannten Bindungsklauseln verschärft. Darüber berichte ich nachstehend.
1.
Von Arbeitgebern für die Arbeitnehmer organisierte und finanzierte Weiterbildungen dienen regelmäßig nicht nur der Verbesserung der Einsatzfähigkeit der Arbeitnehmer im Betrieb, sondern verschaffen den Arbeitnehmern mitunter auch eine Qualifikation, die ihr berufliches Fortkommen nachhaltig verbessert.
Arbeitgeber, die Weiterbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen organisieren und bezahlen, haben daher regelmäßig ein hohes Interesse daran, dass die von ihnen getragenen Weiterbildungskosten sich auch in der Qualität des Arbeitsverhältnisses niederschlagen und treffen mit den Arbeitnehmern Rückzahlungsvereinbarungen, wenn die Arbeitnehmer frühzeitig das Arbeitsverhältnis beenden oder die Weiterbildung abbrechen.
Bislang existierte dazu eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, dass derartige Rückzahlungsklauseln mit Bindungswirkungen unter gewissen Umständen zulässig sind. Das Bundesarbeitsgericht hatte insbesondere zur Angemessenheit der Zeit der Bindung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber eine fein austarierte Judikatur erlassen, an der sich die Vertragsparteien orientieren konnten.
Damit konnten die Vertragsparteien Regelungen treffen, dass im Fall der eigeninitiativen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer oder bei außerordentlicher Kündigung durch den Arbeitgeber der Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen verpflichtet war, die Fortbildungskosten ganz oder teilweise zu erstatten.
2.
Im Mai 2019 wurde in der arbeitsrechtlichen Presse über das Urteil des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichtes vom 11.12.2018, 9 AZR 383/18 berichtet. Dieses Urteil befasste sich mit einem Rückzahlungsanspruch eines Arbeitgebers auf der Basis einer vertraglichen Rückzahlungsklausel, die die einseitige Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer insofern sanktionierte, als der Arbeitnehmer in diesem Fall grundsätzlich zur Rückzahlung der Ausbildungskosten verpflichtet war.
In dem konkreten Fall handelte es sich um die Ausbildung für einen Piloten. Die Ausbildungskosten beliefen sich auf 21.818 US$.
Die Rückzahlungsklausel enthielt eine Zahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers für den Fall, dass er eigenständig das Arbeitsverhältnis kündigt, ohne selbst zur außerordentlichen Kündigung berechtigt gewesen zu sein oder für den Fall, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum Arbeitnehmer außerordentlich gekündigt hat.
Das Bundesarbeitsgericht hielt die in dem Vertrag festgehaltenen Fallgestaltungen, die eine Rückzahlungspflicht auslösten, für nicht ausreichend abgewogen. So könne es Konstellationen geben, dass ein Arbeitnehmer z. B. aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage wäre, sein Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten. Er sei ggf. aus Gründen der konkreten Arbeitsleistungserbringung nicht mehr in der Lage, gerade diese Arbeit zu verrichten. Wenn er dann aber von seiner Kündigung auf Grund der Bindungsklausel im Fortbildungsvertrag abgehalten werde, würde er in seinem beruflichen Fortkommen zu Unrecht benachteiligt. Deshalb hat der 9. Senat entschieden, dass Fortbildungsvereinbarungen mit Bindungsklauseln dann nicht mehr dem AGB-rechtlichen Prinzip des Transparenzgebots entsprechen, wenn nicht auch sogenannte gesundheitliche oder medizinische Ausnahmetatbestände in der Bindungsklausel erwähnt sind.
Mit Blick auf die gegenwärtig sowohl im Internet als auch in den einschlägigen Fachbüchern veröffentlichten Vertragsformulare muss festgehalten werden, dass diese ab sofort der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht mehr standhalten!
Aus diesem Grund werden alle Arbeitgeber gebeten, die aktuell Fortbildungsvereinbarungen mit Arbeitnehmern schließen müssen und dabei aber auch eine Bindung der Arbeitnehmer an das Unternehmen erreichen wollen, von dem Abschluss derartiger Fortbildungsvereinbarungen, zumindest für die nächsten zwei bis drei Monate Abstand zu nehmen.
Die juristische Literatur hat sich zu dieser Thematik noch nicht eindeutig positioniert! Insbesondere ist noch nicht klar, wie man künftig Fortbildungsvereinbarungen so formulieren kann, dass sie auch den vom Bundesarbeitsgericht neu aufgestellten Anforderungen entsprechen können. Aus diesem Grund gilt meine Empfehlung, vorübergehend keine Fortbildungsvereinbarungen mit Bindungsklauseln abzuschließen.
Ich gehe davon aus, dass die juristische Literatur in den nächsten Monaten die Thematik näher hinterfragen und Lösungsversuche anstellen wird. Insbesondere wird dann klar werden, ob Fortbildungsvereinbarungen mit Bindungsklauseln (noch) wirksam geschlossen werden können, ggf. mit ändernden Regelungsansätzen oder ob die Bindung vom Arbeitnehmern in Bezug auf die Tragung von Fortbildungskosten künftig nicht mehr möglich ist.
Für weitere Rückfragen stehe ich selbstverständlich jederzeit gern zur Erörterung zur Verfügung.
mitgeteilt von
Rechtsanwalt Michael Koch
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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