Arbeitsrecht 10.02.2020

+++ Arbeitsrechts-News +++ Zum Verfall von Urlaubsansprüchen bedarf es eines expliziten Hinweises +++ BAG Urteil vom 19.02.2019, 9 AZR 423/19 +++ Urlaub vom Urlaub? - Bezahlter Erholungsurlaub im unbezahlten Sonderurlaub +++

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wie gewohnt informiere ich Sie über wichtige Neuerungen im Arbeitsrecht.                            

 

Für die meisten Arbeitnehmer die schönste Zeit im Jahr, für den Arbeitgeber häufig die Notwendigkeit der Bestellung einer Vertretung: Bezahlter Erholungsurlaub. Wohingegen in den vergangenen Jahren davon auszugehen war, dass nicht in Anspruch genommener Jahresurlaub im Regelfall zum Ende des Jahres verfällt, ist in der neueren Judikatur diesbezüglich eine Kehrtwende auszumachen. Hierzu mehr unter der Ziffer 1. Unter Ziffer 2. möchte ich Sie weiterhin über die Grenzen des bezahlten Erholungsurlaubs zu Zeiten von unbezahltem Sonderurlaub informieren.

 

1.

 

Zwingend zu beachten ist eine neue Linie in der Rechtsprechung zum Verfall von nicht in Anspruch genommenen Urlaubstagen. Bisher galt, dass zum Ende des laufenden Jahres – oder unter Umständen innerhalb von drei Monaten nach Jahresende – nicht in Anspruch genommener Urlaub verfiel. Dabei war es irrelevant, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hatte, den Urlaub zu nehmen. Diese Möglichkeit muss nun jedoch explizit durch den Arbeitgeber geschaffen werden.

 

Ausgehend einer europäischen Richtlinie und hierauf ergangener europäischer Rechtsprechung judizierte das Bundesarbeitsgericht am 19.02.2019 über ein Erlöschen von nicht in Anspruch genommenen Urlaubs nach Maßgabe des Bundesurlaubsgesetzes. In der bisherigen Auslegung des nationalen Rechts verfiel nicht genommener Urlaub im Regelfall zum Ende jedes Kalenderjahres. Dies galt vor allem, solange der Arbeitnehmer selbst keinen Antrag auf Urlaub stellte.

 

Ab sofort gilt hingegen, dass dieser Verfall vor dem Hintergrund des europäischen Gemeinschaftsrechts nicht vertretbar ist. Vielmehr muss der Arbeitgeber nun konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge tragen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Dafür muss er ihn – unter Umständen förmlich – auffordern, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub am Ende des Jahres (oder gegebenenfalls eines Übertragungszeitraumes von drei Monaten des Folgejahres) bei Nichtinanspruchnahme verfällt. Weiterhin trägt der Arbeitgeber die Beweisleist für die seinerseitige Erfüllung dieser Mitwirkungsobliegenheit. Aufgrund fehlender gesetzlicher Bestimmungen bezüglich der Mitwirkungsobliegenheit ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Auswahl eines Mittels zur Mitwirkung frei. Die gewählten Mittel müssen jedoch zweckentsprechend und geeignet sein, so dass der Arbeitnehmer in eine Lage versetzt wird, in welcher er in Kenntnis aller relevanter Umstände frei über die Inanspruchnahme seines Urlaubes entscheiden kann. Deshalb darf der Arbeitgeber zumindest nicht seine Arbeitnehmer in sonstiger Weise daran hindern ihren Jahresurlaub zu nehmen und dadurch – faktisch – auf diesen zu verzichten. Der Arbeitgeber muss sich zur Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit auf einen konkret bezeichneten Urlaubsanspruchs eines bestimmten Jahres beziehen und weiterhin den Anforderungen einer völligen Transparenz genügen.

 

Praktisch bedeutet dies, dass zur Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit in jährlich regelmäßigen Abständen – z. B. zum Jahresbeginn oder zur Jahresmitte – den Arbeitnehmern in Textform mittgeteilt wird, wie viele Urlaubstage im jeweiligen Kalenderjahr auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallen. Gleichzeitig sollte in der Aufforderung enthalten sein, den jeweiligen Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Kalenderjahres genommen werden kann. Zudem sollte eine Belehrung beigefügt werden, in welcher über auftretende Konsequenzen für eine Nichtbeantragung des Urlaubs (nämlich ein Hinweis auf den Verfall des Urlaubs zum Jahresende) belehrt wird. Abstrakte Angaben diesbezüglich – so etwa im Arbeitsvertrag, einem Merkblatt oder einer Kollektivvereinbarung – werden den obigen Anforderungen einer konkreten und transparenten Unterrichtung hingegen im Regelfall nicht gerecht. Sollte gegen diese Mitwirkungsobliegenheit verstoßen werden, so tritt der am 31.12. des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch des Folgejahres hinzu. Dementsprechend sollte auf jeden Fall ein Hinweis auf den Verfall des Urlaubs nach obigen Kriterien erfolgen. Als landesgerichtlich bestätigte Ausnahme des zu eben Erörterten gilt jedoch, dass diese Mitteilungsobliegenheit nicht gegenüber langfristig erkrankten Arbeitnehmern zu erfolgen hat. Diese besteht erst wieder nach Wiedergenesung, bezogen auf die konkreten Ansprüche des Arbeitnehmers. Aufgrund einer hier latent unsicheren Rechtslage ist jedoch dazu zu raten, präventiv auch der Mitteilungsobliegenheit gerecht zu werden und einen Hinweis in Textform zu erbringen.

 

2.

 

Entweder auf Grund von ungeplanten persönlichen Verhältnissen oder bewusst im Rahmen eines Sabbaticals oder anderer längeren geplanten Auszeiten vom Beruf – Arbeitnehmer nehmen in Absprache mit dem Arbeitgeber mitunter eine gewisse Zeit unbezahlten Sonderurlaub. Im Widerspruch hierzu ist aber durch das Bundesurlaubsgesetz unabdingbar normiert, dass in jedem Kalenderjahr bezahlter Erholungsurlaub zu gewähren ist. Hierzu bedarf es nur eines rechtlich bestehenden Arbeitsverhältnisses – auch unabhängig der Erbringung einer Arbeitsleistung. Gemäß der Judikatur des Bundesarbeitsgerichtes bleiben zwar Zeiten eines ganzjährigen unbezahlten Sonderurlaubs unberücksichtigt – abzustellen ist hier auf ein Ruhen der Hauptleistungspflichten: Erbringen der Arbeit und Vergütung. Hieraus folgt, dass zumindest bei einem ein ganzes Kalenderjahr umfassenden unbezahlten Sonderurlaub mangels Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zusteht. In allen anderen Fällen, folglich bei fast allen normalen Fallkonstellationen des unterjährigen unbezahlten Sonderurlaubes, besteht hingegen nur die Möglichkeit einer Vereinbarung, dass für die Zeit des unbezahlten Sonderurlaubes kein über den gesetzlich vorgeschriebenen Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz hinausgehender Erholungsurlaubsanspruch entsteht. Zu beachten sind hierbei nur eventuell entgegenstehende tarifvertragliche Regelungen, ansonsten unterliegt eine solche Vereinbarung der Privatautonomie. Anteilig ist nach aktueller Rechtslage für einen unterjährigen Sonderurlaub trotzdem der gesetzliche Erholungsurlaub zu gewähren und mithin zu vergüten.

 

 

Für weitere Rückfragen stehe ich selbstverständlich jederzeit gern zur Erörterung zur Verfügung.  

 

 

mitgeteilt von

 

 

Rechtsanwalt Michael Koch

Fachanwalt für Arbeitsrecht