+++ Personalakteneinsicht durch Rechtsanwalt? +++ Personalgespräch bei Arbeitsunfähigkeit? +++ Unternehmensgeldbuße bei Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen? +++
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie gewohnt, informieren wir Sie über die aktuelle Rechtsprechung und Entwicklungen im Arbeitsrecht. Die nachstehenden Sachverhalte betreffen die Frage, ob ein Arbeitnehmer das Recht hat, einen Rechtsanwalt zur Personalakteneinsicht beizuziehen, der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Teilnahme an einem Personalgespräch bei Arbeitsunfähigkeit verlangen kann und wie sich die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen auf die Unternehmensträger auswirken. Die Urteile können im Volltext in unserer Kanzlei angefordert werden. Selbstverständlich stehen wir gern zur näheren Erörterung und Beratung bei auftretenden Fragestellungen zur Verfügung.
1. Personalakteneinsicht durch Rechtsanwalt?
(BAG vom 12.07.2016 - 9 AZR 791/14)
Das BAG hat mit der vorzitierten Entscheidung die Frage geklärt, ob ein Arbeitnehmer einen Rechtsanwalt zur Personalakteneinsicht hinzuziehen kann und dies verneint.
Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer das Recht in über ihn geführte Personalakten Einsicht zu nehmen . Dabei kann er auch ein Mitglied des Betriebsrates hinzuziehen (vgl. § 83 I BetrVG).
Er kann jedoch nicht verlangen, die Einsichtnahme nur unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts vorzunehmen. Solange der Arbeitgeber erlaubt Kopien von den Schriftstücken der Personalakte zu fertigen, besteht weder ein Anspruch aufgrund einer Rücksichtspflicht des Arbeitgebers (§ 241 II BGB), noch aufgrund der mittelbaren Schutzwirkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i. V. m. Art.1 I GG). Er kann dem Rechtsanwalt des Arbeitnehmers dann aufgrund seines bestehenden Hausrechts den Zutritt zum Betriebsgelände verweigern.
2. Personalgespräch bei Arbeitsunfähigkeit?
(LAG Nürnberg vom 01.09.2015 - 7 Sa 592/14)
Die Aufforderung des Arbeitsgebers zur Teilnahme des Arbeitnehmers an einem Personalgespräch ist nicht mehr von seinem Direktionsrecht (§ 106 GewO) gedeckt, solange der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist.
Eine Ausnahme hiervon ist nur in Ausnahmefällen denkbar, wenn ein nachweisbar dringender und unaufschiebbarer Gesprächsbedarf besteht. Da diese Ausnahmefälle bisher nicht höchstrichterlich durch das Bundesarbeitsgericht umrissen worden sind, sollte eine solche Aufforderung an einen Ar-beitnehmer an einem Personalgespräch trotz Arbeitsunfähigkeit teilzunehmen nur in äußersten Notfällen ausgesprochen werden.
3. Unternehmensgeldbuße bei Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen?
Durch die §§ 30 und 130 OWiG kann bereits fahrlässiges Handeln bei der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeträgen die Zahlungen von Geldbußen zulasten des Unternehmens auslösen.
Dies betrifft zunächst sämtliche juristische Personen, nicht rechtsfähige Vereine oder Personenverbän-de, mithin fast alle Unternehmen. Nur Einzelkaufleute, bzw. einzelkaufmännisch organisierte Unter-nehmen sind hiervon ausgenommen (siehe unten zur Inhaberhaftung). Ohne Nachweiszwang eines konkreten Täters, bzw. einer individuellen Verantworlichkeit kann die Prüfbehörde eine Geldbuße gegen das Unternehmen verhängen, wenn nur SV-Beiträge oder Teile davon nicht abgeführt werden. Voraussetzung ist, dass die Verwirklichung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit durch diesen Repräsentanten zugleich eine betriebsbezogene Pflichtverletzung beinhaltet. So kann es selbst bei einer fahrlässigen Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen über die §§ 130, 30 OwiG zur Zahlungspflicht einer Geldbuße gegen das Unternehmen kommen.
Ebenso ist beachtlich, dass die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen immer auch unmittelbar eine Geldbuße gegen den Inhaber des Betriebs oder des Unternehmens zur Folge haben kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob eventuell die Aufgabe der Abführung der Sozialabgaben an einen Dritten übertragen wurde.
Wir empfehlen Ihnen, nicht zu zögern Rechtsmittel gegen Betriebsprüfungsbescheide der Deutschen Rentenversicherung zu ergreifen, wenn diese die Nichtabführung von SV-Beiträgen monieren. Neben der Nachforderung der SV-Beiträge, bezogen auf ein strittiges Beschäftigungsverhältnis, folgen derartige Bescheide in der Regel Ermittlungen im Rahmen eines Ordnungswidrigkeits- bzw. Strafverfahrens.
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