+++ Ampelkoalition legt nach +++ Impfpflicht in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen ab 16.03.2022 +++ Beschäftigungsverbot für Ungeimpfte!!! +++

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die am 06.12.2021 neu gewählte Bundesregierung hat nunmehr am 10.12.2021 die nächste Gesetzesänderung des IfSG auf den Weg gebracht und damit die Verpflichtung zur Covid-19-Schutzimpfung für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen eingeführt. Die Auswirkungen für die betroffenen Unternehmen stellen wir nachstehend dar. 

 

I. Begründung der Gesetzesänderung

 

Die den Gesetzentwurf initiierenden Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP haben die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Gesundheitswesen damit begründet, dass in diesen betroffenen Bereichen Personengruppen betreut bzw. behandelt werden, die auf Grund ihres Gesundheitszustandes und/oder Alters ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Covid-19-Krankheitsverlauf (vulnerable Personengruppen) aufweisen. Pflegebedürftige Personen, insbesondere Bewohner von Pflegeheimen oder Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen, die in solchen Bereichen betreut werden, sind nach dem Gesetzentwurf typischerweise auf Grund ihres Alters, ihrer Vorerkrankungen oder Beeinträchtigungen einem erhöhten Unterstützungs- und Betreuungsbedarf ausgesetzt und können ihre Kontakte selbst nur schwer beeinflussen. Dies wird regelmäßig auch durch eine gemeinsame räumliche Unterbringung, die Teilnahme an gemeinsamen Aktivitäten und/oder häufig länger andauerndem nahem physischen Kontakt bei Betreuungstätigkeiten durch wechselndes Personal ergänzt, wodurch ein Risiko einer Infektion zusätzlich steigt. Außerdem ergibt sich bei Menschen mit geistigen Behinderungen, die Zeiten in Einrichtungen verbringen, nachweislich ein erhöhtes Expositions- und Infektionsrisiko dadurch, dass sie auf Grund ihrer kognitiven Beeinträchtigungen das strikte Einhalten von Hygiene- und Abstandsregeln häufig nicht eigenverantwortlich sicherstellen können (vgl. Gesetzentwurf vom 06.12.2021 zur Drucksache 20/188 Deutscher Bundestag, S. 1). Dem Personal in den Gesundheits- und Pflegeberufen kommt zudem nicht nur eine besondere Verantwortung im Rahmen der Pflege und Betreuung dieser besonderen risikobelasteten Personengruppen zu, vielmehr ist dieses Personal durch die Spezifik der Berufsausübung auch einem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt. 

 

Um dem vorzubeugen, so der Gesetzentwurf, soll der Einsatz einer präventiven Impfpflicht gegen Covid-19 für den Bereich des Gesundheitswesens installiert werden. 

 

II. Einfügung § 20 a IfSG

 

Die Einführung der allgemeinen Impfpflicht für die im Gesundheits- und Pflegebereich tätigen Personen wird über eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes, nämlich durch die Einführung von § 20 a IfSG vollzogen. Danach unterliegen:

 

1.     Personen, die in folgenden Einrichtungen und Unternehmen tätig sind: 

a)     Krankenhäuser,

b)     Einrichtungen für ambulantes Operieren,

c)     Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,

d)     Dialyseeinrichtungen,

e)     Tageskliniken,

f)      Entbindungseinrichtungen, 

g)     Behandlungs- oder Versorgungseinrichtungen, die mit einer der in den Buchstaben a) bis f) genannten Einrichtungen vergleichbar sind,

h)    Arztpraxen, Zahnarztpraxen,

i)      Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe,

j)      Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungsmaßnahmen durchgeführt werden, 

k)     Rettungsdienste,

l)      sozialpädiatrische Zentren nach § 119 SGB V,

m)   medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen nach § 119 c SGB V 

n)    Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation nach § 51 SGB IX und Dienste der beruflichen Rehabilitation,

o)     Begutachtungs- und Prüfdienste, die auf Grund der Vorschriften des SGB V oder des SGB XI tätig werden sowie 

 

2.     Personen, die in voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder in vergleichbaren Einrichtungen tätig sind oder 

 

3.     Personen, die in ambulanten Pflegediensten und weiteren Unternehmen, die den in Nr. 2. genannten Einrichtungen vergleichbare Dienstleistungen im ambulanten Bereich anbieten, tätig sind; dazu gehören insbesondere 

a)     ambulante Pflegeeinrichtungen gemäß § 72 SGB XI sowie Einzelpersonen gemäß § 77 SGB XI,

b)     ambulante Pflegedienste, die ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen erbringen,

c)     Unternehmen, die Assistenzleistungen nach § 78 SGB IX erbringen,

d)     Unternehmen, die Leistungen der interdisziplinären Früherkennung und Frühförderung nach § 42 und § 46 SGB IX erbringen,

e)     Beförderungsdienste, die für Einrichtungen nach Nr. 2. tätig sind,

f)      Leistungsberechtigte, die nach § 29 SGB IX Personen für die Erbringung entsprechender Dienstleistungen beschäftigen,

 

einer allgemeinen 

Impfpflicht gegen Covid-19.

 

Durch die Aufzählung der in Betracht kommenden Einrichtungen sind faktisch alle Betriebe des Gesundheitswesens und der Pflegebranche, gleich ob stationär oder ambulant tätig, erfasst. 

 

Ausnahmen

 

a) Genesenennachweis

 

Der Impfpflicht unterliegen nicht solche in den Einrichtungen tätige Personen, für die ein aktuell gültiger Nachweis als genesene Person vorgelegt wird. Zur Definition der „genesenen Person“ und dem Genesenennachweis siehe nachstehenden Hinweis und unsere Ausführungen im Newsletter Arbeitsrecht vom 22.11.2021 www.koch-boikat.de

 

- genesene Person/Genesenennachweis 

Als genesene Person gilt jemand, der keine Coronasymptome mehr aufweist und in Besitz eines ausgestellten Genesenennachweises ist. Das bedeutet, dass bei dieser Person eine vergangene Infektion mit dem Coronavirus vorgelegen haben muss. Der Genesenennachweis wird durch eine ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer vergangenen positiven Infektion auf Basis einer Labortestung bzw. durch einen positiven behördlichen PCR-Test geführt. Ein Genesenennachweis muss schriftlich oder in digitaler Form (wieder über QR-Code) mitgeführt und nachgewiesen werden. Zu beachten ist, dass auch Apotheken digitale Genesungsnachweise ausstellen können, dann allerdings unter Vorlage des Personalausweises und einer ärztlichen Bescheinigung mit Labortestung, aus der sich die vergangene positive Infektion ergibt. Dabei ist zu beachten, dass der Positivtest mindestens 28 Tage zurückliegen muss. Der Genesenennachweis hat, gerechnet ab dem Tag der Positivtestung, eine Gültigkeit von maximal 6 Monaten. Zu beachten ist ferner, dass positive Selbsttests als Nachweisführung nicht geeignet sind, sondern eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis als Basis für den Genesenennachweis vorliegen muss.

 

b) medizinische Kontraindikation

Eine in den o. g. Bereichen tätige Person unterliegt darüber hinaus dann keiner Impfpflicht, wenn sie durch ärztlich bestätigtes Attest nachweisen kann, dass bei ihr eine medizinische Kontraindikation im Verhältnis zu einer Covid-19-Schutzimpfung vorliegt. Hier sind allerdings auch die behördlichen Empfehlungen und Vorgaben des Robert-Koch-Instituts, des Paul-Ehrlich-Instituts und der ständigen Impfkommission zu beachten. Als nicht anerkannte Kontraindikation gelten: 

 

- banale Infekte, auch wenn sie mit subfebrilen Temperaturen (< 38,5 °C) einhergehen,

- Krebserkrankungen, rheumatologische Erkrankungen,

- Allergien (die nicht spezifisch gegen Bestandteile der Impfung bestehen),

- Behandlung mit Antibiotika, Kortikosteroiden oder lokal angewendeten steroidhaltigen Präparaten,

- Blutungsneigung/Einnahme von Gerinnungsmedikamenten,

- vorbestehende neurologische Erkrankungen, wie z. B. multiple Sklerose, 

- chronische Erkrankungen, wie chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder Nierenerkrankungen,

(vgl. rki.de Covid-19 und impfen FAQ Stand 29.12.2021). 

 

Sofern eine nachgewiesene Allergie gegen einen mRNA-Impfstofftypen vorliegt, wird, so weist das RKI darauf hin, in der Regel keine Allergie gegen einen vektorbasierten Impfstofftypen vorliegen. 

Für vektorbasierte Covid-19-Impfstoffe gelten ein vorbestehendes Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) oder ein Kapillarlecksyndrom als echte Kontraindikationen. Außerdem wären Infektionen mit Temperaturen > 38 °C, sofern sie vorübergehend bestehen, sogenannte vorübergehende Kontraindikationen. 

 

Außerdem hat der Gesetzgeber mit § 20 a Abs. 3, 4 IfSG ein Kontrollrecht der Gesundheits- bzw. Landesgesundheitsbehörde in Bezug auf die vorgelegten Kontraindikationsnachweise statuiert. 

 

III. erfasster Personenkreis 

 

Nach dem Gesetzestext ist der erfasste Personenkreis weit gefasst. Danach sind nämlich die in den von § 20 a Abs. 1 IfSG erfassten Einrichtungen tätigen Personen von der Impfpflicht erfasst. Der Gesetzgeber hat hier (mutmaßlich bewusst) nicht die sonst üblichen und in anderen Gesetzen definierten Begrifflichkeiten, wie Arbeitnehmer oder Arbeitgeber oder Beschäftigte, verwendet, sondern die allgemein gehaltene Begrifflichkeit „tätige Personen“ benutzt. Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber offensichtlich einen weiten persönlichen Geltungsbereich für diese Impfpflicht ziehen wollte, mithin: 

- Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber,

- Selbständige wie auch Beschäftigte,

- geringfügig Beschäftigte und Teilzeitarbeitnehmer o. a. prekär Beschäftigte,

- Leiharbeitnehmer und Arbeitnehmer mit ähnlichem Status, 

- Praktikanten und Auszubildende, Werkstudenten

 

in die Impfpflicht integrieren wollte. 

 

Unklar ist, ob nur vorübergehend in solchen Einrichtungen und Unternehmen tätige Personen, wie etwa Bauarbeiter externer Baufirmen oder externe IT-Fachleute oder Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte oder Steuerberater, die in diesen Einrichtungen gelegentlich auf Basis von Dienst- oder Werkverträgen tätig werden, also bezogen auf die Einrichtungen und Unternehmen weder Beschäftigten- noch Selbständigenstatus haben, von der Gesetzesregelung erfasst sind. Dies dürfte zu verneinen sein, da eine Tätigkeit in den Einrichtungen und Unternehmen beschrieben wird.

 

Rechtlich klar ist diese Regelung aber keineswegs, zumal die Gesetzesbegründung in der Drucksache 20/81 des Gesetzesentwurfs der Fraktionen vom 06.12.2021 eigentlich nur auf das Personal in den Gesundheitsberufen und Berufen, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen, abstellt. Sowohl die Gesetzesbegründung der Fraktionen als auch die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses des Bundestages vom 09.12.2021, Drucksache 20/250, erzeugen hinsichtlich der notwendigen Erklärungen zu der Begrifflichkeit „tätige Personen“ eher Missverständnisse als Rechtsklarheit. Wenn nämlich in der Problembeschreibung des Gesetzentwurfes der Fraktionen vom 06.12.2021 auf S. 2 das Personal in den Gesundheitsberufen und der Alten-, Kranken- und Behindertenpflege als Zielgruppe argumentativ erfasst wird, fragt man sich, warum dann der gesetzlich geregelte Adressatenkreis der Impfpflicht deutlich weiter gefasst ist als es die Begründung vorsieht. Nach dem Wortlaut des Gesetzestextes muss man aber zunächst den erweiterten Personenkreis ins Auge fassen. Es bleibt abzuwarten, ob sich Bundesregierung oder Bundestag dazu künftig noch näher positionieren. 

 

IV. Prüfobliegenheit der Arbeitgeber 

 

Zur Durchsetzung der Impfpflicht ist jeder Arbeitgeber der betroffenen Einrichtungen und Unternehmen verpflichtet, dauerhaft das Vorliegen eines Impfnachweises, Genesenennachweises oder ärztlichen Zeugnisses über eine medizinische Kontraindikation zu prüfen. Alle in den Einrichtungen tätigen Personen müssen bis zum Ablauf des 15.03.2022 die jeweiligen Nachweise der Einrichtungsleitung vorlegen. 

 

Wenn der jeweilige Nachweis nicht bis zum Ablauf des 15.03.2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des jeweils vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Unternehmensleitung unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt zu benachrichtigen und die personenbezogenen Daten der jeweiligen Person zu übermitteln. 

 

Diese Regelung erfasst alle im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung in diesen Einrichtungen tätigen Personen sowie die Personen, die ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens bis zum 15.03.2022 ihre Tätigkeit aufnehmen. 

 

Für neu eingestellte Personen, die ihre Tätigkeit ab dem 16.03.2022 aufnehmen, besteht eine gleichartige Nachweispflicht,wobei eine ab dem 16.03.2022 neu eingestellte Person ihre Tätigkeit in der Einrichtung gar nicht erst aufnehmen darf, wenn kein Nachweis vorgelegt wird. 

 

Da die infrage kommenden Impf-, Genesenen- und Kontraindikationsnachweise in der Regel an Gültigkeitszeiten gebunden sind, muss das Unternehmen nach Ablauf der Gültigkeit des Nachweises einen neuen Nachweis für den Impfungs-, Genesenen- oder Kontraindikationsstatus abverlangen. Die jeweilige Person muss binnen eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit des bisherigen Nachweises einen neuen Nachweis vorlegen. Wird diese Frist nicht gewahrt oder bestehen Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit des Nachweises, hat wiederum die Unternehmensleitung das zuständige Gesundheitsamt zu informieren. 

 

V. Rechte des Gesundheitsamtes 

 

Das jeweils zuständige Gesundheitsamt kann die in den Einrichtungen tätigen Personen direkt zur Vorlage eines Nachweises binnen Monatsfrist auffordern. Bestehen auf Sicht des Gesundheitsamtes Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, so kann es eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus geimpft werden kann.

 

Außerdem kann das Gesundheitsamt einer Person, die trotz Aufforderung einen Impf-, Genesenen- oder Kontraindikationsnachweis nicht fristgerecht vorgelegt hat oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nicht Folge leistet, untersagen, dass diese Person in der jeweiligen Gesundheits- oder Pflegeeinrichtung tätig wird. Dies erfolgt mit einem förmlichen Bescheid, der von der Person mit Widerspruch und Anfechtungsklage angegriffen werden kann, wobei diese Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung im Sinne des Verwaltungsprozessrechts haben, also es bei der Tätigkeitsuntersagung so lange bleibt, bis ein Nachweis erbracht wird oder der Tätigkeitsuntersagungsbescheid gerichtlich aufgehoben wird. 

 

 

VI. arbeitsrechtliche Konstellation bei Tätigkeitsverbot 

 

Kommt es zu einem von dem Gesundheitsamt verhängten Tätigkeitsverbot für bereits bis zum 15.03.2022 in dem jeweiligen Unternehmen beschäftigte oder anderweitig tätige Personen, können/dürfen diese ihre Arbeitsleistung im Unternehmen nicht mehr erbringen. Arbeitgeberseitig darf die Arbeitsleistung auch nicht mehr entgegengenommen werden. Arbeitsrechtlich tritt der Tatbestand der sogenannten objektiven Unmöglichkeit der Leistungserbringung ein mit der Folge, dass der Arbeitgeber von der Vergütungszahlung frei wird. Zugleich tritt aber eine Leistungsstörung im Arbeitsverhältnis ein, die durch die Nichterbringung der Arbeitsleistung seitens des Beschäftigten geprägt ist und wenn es zu einer entsprechenden Negativprognose für die künftige Beschäftigungsmöglichkeit kommt, eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann, wobei rechtlich noch zu prüfen sein wird, ob es sich dabei um eine verhaltensbedingte Kündigung (der Arbeitnehmer kann die Pflichtverletzung vermeiden, will es aber nicht) oder ob es sich um eine personenbedingte Kündigung (der Arbeitnehmer möchte die Pflichtverletzung vermeiden, kann es aber aus objektiven Umständen nicht) handelt. 

Bei einer solchen Konstellation müsste die jeweilige Person zwingend von der Arbeitgeberseite zu dem Vorwurf angehört werden. 

 

Sollten Arbeitnehmer zeitlich synchron zur nicht fristgerechten Vorlage eines Impfnachweises eine Krankschreibung vorlegen, dürfte ein erhebliches Indiz dafür bestehen, dass die Krankschreibung deshalb erfolgt, weil ein Impfnachweis nicht erbracht werden wird und deshalb keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Damit wäre nach der aktuellen Rechtsprechung des 2. Senats des BAG zur Synchronkrankschreibung bei Kündigung der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert mit der Folge, dass, sofern der betroffene Arbeitnehmer seine Krankheitssituation nicht näher darlegt und belegt, keinen Entgeltfortzahlungsanspruch nach den Entgeltfortzahlungsgesetz besitzt. 

 

Differenzierung zwischen Bestandsbeschäftigten und ab dem 16.03.2022 neu eingestellten Beschäftigten 

 

Die Regelungen des § 20 a IfSG sieht eine unterschiedliche Behandlung des sogenannten Bestandspersonals im Verhältnis zum neu einzustellenden Personal vor. 

 

a) neu Eingestellte ab 16.03.2022

 

Für ab dem 16.03.2022 tätig werdende Beschäftigte und andere Personen gilt, dass die Unternehmensleitung diese Personen, wenn sie keinen Impf-, Genesenen- oder Kontraindikationsnachweis vorlegen, gar nicht erst im Unternehmen beschäftigen darf. Hier ist also die Arbeitgeberseite von Beginn an verpflichtet, diese Personen erst dann tätig werden zu lassen, wenn die entsprechenden Nachweise vorgelegt werden. Fehlt es daran, besteht ein objektives gesetzliches Tätigkeitsverbot mit der Folge des Wegfalls des Vergütungsanspruches und, wenn es sich um neu begründete Arbeitsverhältnisse innerhalb der gesetzlichen Wartezeit von 6 Monaten handelt, diese ordentlich, auch außerhalb des Geltungsbereiches des Kündigungsschutzgesetzes (ggf. nach vorheriger Anhörung eines bestehenden Betriebs- oder Personalrates) gekündigt werden können. 

 

b) Bestandspersonal

 

Für Bestandspersonal gilt das zuvor beschriebene automatisch bestehende gesetzliche Tätigkeitsverbot, wie bei Neueinstellungen, nicht! Hier muss das Tätigkeitsverbot ausdrücklich durch das zuständige Gesundheitsamt, das von der Arbeitgeberseite rechtzeitig, nämlich unverzüglich, zu informieren ist, ausgesprochen werden. Bislang ungeklärt ist die Frage, ob ein Arbeitgeber gegenüber Bestandsbeschäftigten, die keinen Nachweis vorlegen, eigeninitiativ die Suspendierung von der Arbeitspflicht erklären kann und ob sich daraus dann der Wegfall des Vergütungsanspruches ergibt. Eine einseitige Suspendierung der Arbeitspflicht durch den Arbeitgeber dürfte auf jeden Fall angesichts dieser Sonderkonstellation, die aus dem Gesetz abgeleitet werden kann, zulässig sein. Ob dies aber auch für den Wegfall des Vergütungsanspruches allein infolge der Suspendierung, also ohne vorherigen Bescheid des Gesundheitsamtes, gilt, dürfte fraglich sein. Hier bleibt die Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten. 

 

 

VII. Verhältnismäßigkeit der Impfpflicht - Ausblick

 

Ob die am 10.12.2021 vom Bundestag und Bundesrat beschlossene Änderung des Infektionsgesetzes hin zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Gesundheitswesen und in der Pflegebranche rechtlich durchschlagen wird, wird sich erst noch zeigen. Aus Sicht des Unterzeichnenden ist jedenfalls auffällig, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht nur wenige Wochen nach der für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen spezifizierten allumfassenden täglichen Testpflicht eingeführt wird, also ohne abzuwarten, wie sich diese tägliche Testpflicht, die sich primär auf Ungeimpfte auswirkt, rechtlich greift. 

 

Klar ist, dass die geschaffene einrichtungsbezogene Impfpflicht einen Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit darstellt. Ein solcher Grundrechtseingriff ist grundsätzlich nur dann grundgesetzlich zulässig, wenn er geeignet, erforderlich und angemessen ist. Vergleicht man die Gesetzesbegründung im Entwurf der Ampelkoalition und die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses mit dem Gesetzestext, ist schon, wie oben ausgeführt wurde, der Widerspruch zwischen dem in der Gesetzesbegründung genannten Adressatenkreis (Gesundheits- und Pflegeberufe) und dem im Gesetz realisierten Adressatenkreis (alle tätigen Personen) auffällig. Wie diese Erweiterung des Personenkreises zustande kommt, erklärt sich aus den Gesetzesmaterialien leider nicht. Hier könnte schon ein Angriffspunkt für eine verfassungsrechtliche Überprüfung sein. Außerdem muss sich der Gesetzgeber die Frage gefallen lassen, warum er nicht die Wirkungen der am 18.11.2021 verabschiedeten allgemeinen betrieblichen 3G-Regel und die Einführung der speziellen täglichen Testpflicht in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen für Geimpfte und Ungeimpfte (für Ungeimpfte besteht die Ausnahme, dass die Testpflicht auf 2 Tage pro Arbeitswoche beschränkt ist und auch Selbsttests zulässig sind) nicht abwartet, also zunächst nach einer gewissen Einführungsphase dieser betrieblichen Testregelungen evaluiert, wie sich diese auf das Infektionsgeschehen im Allgemeinen und im Besonderen in den Gesundheits- und Pflegeinrichtungen auswirkt. So könnte nämlich, bei einem nachhaltigen Eingriff der Testpflicht in das Infektionsgeschehen durch Rückgang der Infektionszahlen, die so vom Bundesgesetzgeber geschaffene allgemeine betriebliche Testpflicht ein geringeres Eingriffsmittel darstellen und weitere erschwerende Schritte im Sinne der Impfpflicht verhindern. 

 

Diese Ausführungen sind indes ausschließlich von dem Verständnis geprägt, dass Grundrechtseingriffe immer nur dann vollzogen werden dürfen, wenn diese nicht durch andere mildere Mittel verhindert werden können. Diese Auffassung stellt im Übrigen auch keine Bewertung der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht durch den Unterzeichnenden dar!

 

Auf jeden Fall werden wir die Sache weiter beobachten, zumal die Impfpflicht erst in gut 3 Monaten greifen wird. Wenn sich neue Details mit Auswirkungen auf den Betrieb ergeben, werden wir informieren. 

 

Für weitere Rückfragen und Unterstützung zur Umsetzung stehen wir selbstverständlich jederzeit gern zur Verfügung.  

 

mitgeteilt von

Michael Koch

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt

Stephanie Has

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Rechtsanwältin