Medizinrecht 01.07.2010

Thema: Muss die KK die Aufwandspauschale des § 275 Abs. 1 c SGB V von 300,00 € auch dann bezahlen, wenn die Krankenhausabrechnung fehlerhaft war, aber nicht zur Minderung des Abrechnungsbetrages führte?

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Seit dem 01.04.2007 sind die Krankenhausträger über § 275 Abs. 1 c SGB V berechtigt, eine Aufwandspauschale von aktuell 300,00 € pro Fall abzurechnen, wenn die MDK-Prüfung nicht zur Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat. Diese Regelung des GKV-WSG sollte nach der Gesetzesbegründung vermeiden, dass die MDK-Prüfung als Regelprüfung von den Krankenkassen instrumentalisiert und nur zu Einzelfallprüfungen zielorientiert eingesetzt wird.



Dies sollte ein Beitrag zum angestrebten Bürokratieabbau sein. Die praktische Erfahrung der vergangenen 3 Jahre zeigte nur eine mäßige Dämpfung der Prüfungsflut, wenngleich das finanzielle Volumen der Pauschalen für die Krankenhäuser ein nicht unerhebliches Maß im sechsstelligen Bereich pro anno erreichten. 

Schon früh kam die Diskussion auf, ob die Aufwandspauschale auch dann zu zahlen ist, wenn die MDK-Prüfung infolge fehlerhafter Kodierung von Prozeduren und Diagnosen eingeleitet wurde, die aber für sich betrachtet nicht zu einer Minderung des Krankenhausentgeltes oder gar zu einer Steigerung des Krankenhausentgeltes führten. 

Das Bundesministerium für Gesundheit mit Schriftsatz vom 12.12.2007, das Sozialgericht Nürnberg mit Urteilen vom 11.02.2009, S 7 KR 432/08 und S 7 KR 433/08 und auch das LSG Rheinland Pfalz mit Beschluss vom 09.07.2009, L 5 KR 90/09 NZB, positionierten sich für eine Aufwandspauschalenzahlung in solchen Fällen. 

Das BSG hat nunmehr mit seinem Urteil vom 22.06.2010 diese Auffassungen verworfen und klargestellt, dass das Krankenhaus die Aufwandspauschale nicht beanspruchen kann, wenn eigenes Fehlverhalten des Krankenhauses (Verstoß gegen § 301 SGB V) zu einer überflüssigen nutzlosen Prüfung durch den MDK führt oder wenn sich sogar der Abrechnungsbetrag noch im Nachhinein zu Lasten der Krankenkasse erhöht. 

Die Neuregelung des § 275 Abs. 1 c SGB V soll nach der Auffassung des BSG unnötige Prüfungen der Krankenkassen und den missbräuchlichen Einsatz vermeiden. Dies wäre aber stets dann nicht der Fall, wenn die Prüfung dadurch veranlasst wird, dass Diagnosen oder Prozeduren fehlerhaft angegeben worden sind. 

Ausblick/Prognose: 

1. Die Krankenkassen haben prompt reagiert, und zwar noch bevor der abgefasste Urteilstext des BSG vorliegt. Unterzeichner hat bereits abschlägige Mitteilungen erhalten, die sich auf das Urteil des BSG vom 22.06.2010 beziehen. 

2. Außerdem besteht der Eindruck, dass die Krankenkassen die MDK-Prüfung noch stärker als bisher als Instrument zur Liquiditätssteuerung benutzen werden, zumal bereits eine Krankenkasse unter Bezugnahme auf ein Urteil des BSG vom 22.04.2009, B 3 KR 24/07 R, andeutete, dass bei fehlerhafter Übersendung von Daten im Rahmen des Übermittlungsverfahrens nach § 301 SGB V der Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers nicht fällig werde und entgegen der Regelungen in den Landesverträgen nicht gezahlt wird. In diesem Fall besteht für jeden Krankenhausträger dringender Beobachtungs- und Handlungsbedarf. 

3. KK verweigern jetzt schon in Serie die Zahlungen der Pauschale, wenn auch indirekt über die Verweildauerkürzung von 1 Tag. Das Zahlungsverhalten der KK wird sich weiter verschlechtern, das Aufwandspauschalenaufkommen der Krankenhäuser wird sich verringern, bei definitiv steigendem Bearbeitungsaufwand. 

4. Die vom Gesetzgeber erhoffte Prüfungseindämmung mittels der in 2009 erhöhten Pauschale verpufft auf dem Boden der Rechtsprechung des BSG. Welcher Krankenhausträger klagt schon Aufwandspauschalen beim Sozialgericht ein, wissend dass die Sozialgerichte, speziell in Thüringen und Sachsen-Anhalt, hoffnungslos mit Hartz IV-Fällen überlastet sind. Mit der Hoffnung auf Bürokratieabbau stirbt die Aufwandspauschale. 

Das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 22.04.2009 wird von Unterzeichnendem im Folgenewsletter, der im August 2010 erscheint, besprochen. Vorab sei erwähnt, dass die Krankenkassen nach Ansicht des Unterzeichnenden das Urteil des BSG vom 22.04.2009 in ihrem Sinne fehlinterpredieren. 

Michael Koch 
Rechtsanwalt